Partnersuche im Internet

Zehn Rettungsringe hätten meine Freundin nicht davor bewahren können, im Sumpf des Liebesrausches zu versinken. Alle haben wir geschrien und gezerrt, insistiert und sie beschworen: Lass die Finger von dem Typen, der will nur das Eine, der nutzt dich aus! Aber es hat sie erwischt. Mit Fünfzig! Was war passiert? Im November hat sie sich im Internetportal für Partnersuche „Gleichklang“ angemeldet. Sie wollte nur mal gucken (ihre Worte), was da so rum kreucht und fleucht. Immer wieder hat sie uns nach unserer Meinung gefragt, Profile studiert, Entfernungen abgecheckt, und wir haben uns gemeinsam lustig gemacht über Männer mit Goldkettchen, prosaische Ergüsse über segelnde Möwen und offene Begegnungen, was auch immer damit gemeint war.

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Ja, ja die Liebe, im echten wie im virtuellen Leben nicht immer einfach…

Bei Gleichklang kann jeder „etwas“ finden. Da gibt es eigene Rubriken für Dicke, Kranke, Homosexuelle, Transsexuelle, Bisexuelle, Menschen mit Behinderungen, abartigen Neigungen, Veganer, ….Du füllst mehrere Seiten aus, erstellst ein Profil, das dich beschreibt, und was du von deinem Zukünftigen erwartest. Dann gibst du noch an, welcher Art die Partnerschaft sein soll. Meine Freundin wählte: Suche ungebundene erotische Kontakte, aus denen vielleicht eine Partnerschaft erwächst. Ich bin nicht an einer platonischen Partnerschaft interessiert.
Etwas über 70 Euro kostet das Ganze im Jahr. Ein Computerprogramm sucht dann Übereinstimmungen beim gewünschten Geschlecht und macht dir dann Vorschläge. Du kannst also nicht selber wählen.

Der erste Mann, der ihr gefiel, schrieb ihr auch gleich zurück, und sie fanden sich schnell nett und interessant. Ich sagte zu ihr: So einen Zausel hast du nicht verdient, such weiter! Mir gefiel er nicht, aber das sollte er ja auch nicht. Ihr erstes Rendezvous wollten wir per Whats App in der Gruppe „Suchtrupp“ verfolgen und bewerten. Aber ihr Handy war dann ausgeschaltet. Alles klar, haben wir anderen kommentiert. Am Abend dann die Info: Es war schrecklich. Er roch nicht gut und hatte rote Augenringe. Seine Finger waren zu kurz und der Pulli hatte Flecken. Das Hauptthema ihrer Unterhaltung: Die Beziehung zu seiner Frau und das Dilemma seiner letzten Gleichklangbekanntschaft (er war immer noch verliebt). Nach Zwei Stunden hatte er sich dann aber angeblich in unsere Freundin verliebt und wollte stehenden Fußes mit ihr in ein Hotel. Ihr Statement: Kümmere dich um deine Frau, das macht sexy! Wir waren stolz auf sie und trösteten sie damit, dass es normal sei, nicht gleich beim ersten mal einen Treffer zu landen.

Bei einem gemeinsamen Abendessen haben wir wieder im Pool der potentiellen Zukünftigen gewühlt und uns einen rausgesucht: Nimm den! Sie sagte: Ne, der sieht so alt aus. Und wir: Aber nett! Und schon hat eine von uns auf „Interessant“ geklickt. Am nächsten Abend bei „Suchtrupp“: Er hat mir zurück geschrieben und will sich mit mir treffen. Wann? Am Wochenende. Das ging flott, das war schon morgen. Die nächste Nachricht: Er will sich mit mir in der Sauna treffen, ich habe nein gesagt, immer schön langsam mit den jungen Pferden. Der testet dich, kommentierten wir anderen jungen Pferde, und stellten uns vor, wie das ist, wenn man sich mit fünfzig beim ersten Date in der Sauna trifft, Schweiß triefend und rotgesichtig. Nicht wirklich sexy. Am Montag nach dem Wochenende sollte sie uns natürlich alles berichten. Sie schwirrte umher wie eine verknallte Siebzehnjährige, stieß Stühle um, lachte wie eine Bekloppte und war bis über die Stirnhöcker verliebt. Wir sagten: Du bist nicht in den Typen verliebt, du bist in das Gefühl verliebt, verliebt zu sein. Ja, gab sie zu, es ist so schön, egal, was daraus entsteht, ich kenne ihn ja kaum, nach nur 2 Stunden waren wir schon im Bett, stundenlanger Sex, ich schwöre, so was hab ich noch nicht erlebt. Die einen grinsten (sie wussten, wovon sie sprach), die anderen schwiegen (aus Neid). Und dann? Habt ihr wenigstens auch Zeit außerhalb des Bettes verbracht? Nö. Worüber habt ihr geredet? Geredet?! Nun gut, schön für sie, wir freuten uns ehrlich, dass sie so fröhlich und aufgedreht war und endlich wieder mal guten Sex gehabt hat. Die nächsten Wochen waren geprägt von Energieschüben und tristen Telefonaten: Er meldet sich nicht mehr, er hat geschrieben, er meldet sich nicht, er meldet sich nicht, wir treffen uns, außer Sex wieder nichts, er hat mir geschrieben, er meldet sich nicht… Bis dann die Ansage kam: Er hat eine Geliebte. Na Gott sei Dank, atmeten wir Freundinnen auf, vorbei mit dem Irrsinn! Aber nun hatte sie Verständnis für ihn und eine Erklärung dafür, warum er sich so selten meldete. Sie rief ihn an, beteuerte, dass sie ihn nur als Freund wollte und keine Beziehung (Hahaha!). Wie alt bist du eigentlich, fragte ich sie, du hast es nicht nötig, dich so zu erniedrigen, du bist toll, schön, interessant. Ich bekam immerhin ein müdes Lächeln. Zwei Monate hat es gedauert, dann war sie endlich geheilt.

Sämtliche folgenden Vorschläge bei Gleichklang waren inakzeptabel und ausserdem sehr spärlich gesät. Du musst dein Profil ändern, sagten wir. Also gut, die erotischen Kontakte flogen raus, das Foto musste geheimnisvoller sein und nicht gleich Pheromone versprühen. Wir halfen ihr, die eigenen Worte zu formulieren, bis sie so klangen, als müsste man sich alle zehn Finger ablecken, wollte man diese Frau auch nur aus der Nähe betrachten. Das war vor drei Wochen. Wir warteten. Und warteten. Und warten immer noch.

Wo sind sie nur? Die unverheirateten Männer zwischen 50 und 60, die eine Beziehung wollen? Erotische Kontakte ja, aber für eine Partnerschaft muss es wohl doch eine Jüngere sein? Wir finden das gruselig. Heute früh kam die Nachricht: Ich habe mein Profil wieder geändert. Ich: ? Sie: Ich habe wieder „erotische Kontakte erwünscht“ angegeben. Bravo! Hoffentlich verliebt sie sich nicht wieder, das halten unsere Nerven nicht mehr aus! Ich bin jetzt neugierig geworden. Ich habe mich bei Parship angemeldet. Kostet zwar das Zehnfache, aber schon 5 Sekunden, nachdem ich bezahlt habe, wurden mir 140 Männer vorgeschlagen. Da kann ich jetzt wühlen und Likes vergeben, aussortieren, vergleichen,… Shoppinggefühl vom Feinsten! Warum nicht einen Mann kaufen?

Eure Gudrun

3 Kommentare zu: »Partnersuche im Internet«

  1. Liebe Gudrun,
    rate Deiner Freudin doch mal, z.B. einen Workshop zu Besuchen, Tanz beispielsweise.
    Das hat mir auch ohne Suchintention eine Partnerschaft beschert.
    Ich ziehe Lifebegegnungen dem Internet vor!
    Das schöne daran ist, dass die Partnersuche nicht im Vordergrund steht, und man ganz entspannt beobachten und fühlen kann.
    Weiterhin viel Erfolg für Deine Freundin wünscht
    Gisela

  2. Hallo Gudrun, großes Thema für „alleinstehende“ Frauen! Selbst habe ich keinerlei Erfahrungen mit Partnersuche via Internetagentur – doch es gibt in meinem Freundeskreis positive Erfahrungen einerseits und auch alle Vorurteile belegende Beispiele andererseits:
    monatelange mailereien mit div. Männern, die langweilen, angeben, unangenehm anzüglich werden etc., die also schlicht nicht passen oder Männer, die attraktiv und interessant wirken, aber sich auf einmal abwenden, mit oder ohne Erklärung – also wie im richtigen Leben. Das Higlight einer guten Freundin: sie hat nach Jahren bei div. Agenturen und Kontakten zu vielen Männern tatsächlich den 6er im Lotto gewonnen! Die beiden sind seit fünf Jahren ein glückliches Paar, leben seit längerem zusammen und planen ihre gemeinsame Zukunft (beide über 50!).
    insofern: vieles scheint möglich!
    GOOD LUCK wünscht Brigitte

  3. Liebe Gudrun,
    ich bin seit 1988 (ja 88) im Internet und habe sehr, sehr viele Menschen dadurch kennengelernt. Nicht auf Partnerportalen, sondern in Computerspielen. -foren und Sozialen Netzwerken etc..
    Für mich ist das Internet einfach ein weiterer Kanal zur Kontaktaufnahme.
    Und ich muss sagen, wenn ich lese „Suche ungebundene erotische Kontakte, aus denen vielleicht eine Partnerschaft erwächst. Ich bin nicht an einer platonischen Partnerschaft interessiert. dann ist das doch eine klare Ansage von Deiner Freundin – „vielleicht eine Partnerschaft erwächst“ – aber der erotische Kontakt steht im Vordergrund – jedenfalls lese ich das als Mann so.
    Ich glaube, wenn man bei sich ist und sich wohl fühlt, kommt der Partner so oder so in Dein Leben – wo und wie auch immer…
    Gruß
    Andreas

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