Es lebe die Gartenromantik!

Vitamine! Ich muss dringend Gemüse und Obst besorgen, denn meine Familie zeigt deutlich Mangelsymptome. Der eine ist verpickelt, der andere schwächelt in der Schule, und ganz allgemein fühlt man sich etwas angegriffen, vor allem, wenn es um Tätigkeiten wie Tischabräumen, Spülmaschinendienst und Sonntagsfrühstück geht.

Ist es nicht wunderbar, wenn man ein Stück Erde sein Eigen nennen kann? Ein Garten! Wie wunderbar! Gemüse – selbst gezogen, gehegt, geerntet, eingefroren und für den Winter konserviert! Da weiß man, was man isst, und es schmeckt nicht so Sch wie das Plastikgemüse aus dem Supermarkt, und man hat auch noch Bewegung an der frischen Luft!

Ja, das macht Spaß! Mit der ganzen Familie bergeweise frisches Gemüse ernten!
Ja, das macht Spaß! Mit der ganzen Familie bergeweise frisches Gemüse ernten!

Doch nun neigt sich der Vorrat langsam dem Ende zu, und es wird Zeit, dass der Frühling kommt, damit die jährliche Arbeit von vorne beginnen kann.

Früher wünschte ich mir immer, in roten Gummistiefeln und Minirock, mit einem hübschen Strohhut einem jungen Bauern zuwinkend, zwischen Ringelblumen prächtige Salatköpfe zu ernten und mit einer hübschen Zink-Gießkanne meine Rosen zu wässern. Mittlerweile fürchte ich mich schon im Frühjahr vor den Schnecken, und bis auf die Gummistiefel ist nichts, wie es sein sollte: der Minirock in jeder (sprichwörtlichen!) Hinsicht fehl am Platz, der Sonnenhut nicht nötig, weil es sowieso immer regnet, und der Bauer alt und: weiblich. Der flotte Jungbauer hat gleich nach der Schule die Beine in die Hand genommen und ist in die Stadt geflohen. Und ich glaube nicht, dass der ausgefallene Modegeschmack seiner neuen Nachbarin daran Schuld war: Ich habe es sehr bald aufgegeben als bunter Hund durch ein Bauerndorf zu rennen, in dem Tag und Nacht mit Gülle, Rüben oder Monstermaschinen hantiert wird. Landarbeit ist Schwerstarbeit. Und viele jungen Bauern fühlen sich verarscht, weil sie nichts mehr für ihre Produkte bekommen! Leute wie wir lesen Zeitschriften, die mit Land in Verbindung stehen, sie schießen förmlich aus dem Boden, aber die Bauern sind es, die ackern und einmal im Jahr ihr geliebtes Schützenfest feiern, von dem sich dann Leute wie wir fern halten. Ganz schön überheblich, finde ich.

Als wir vor Jahren hierher gezogen sind, die Kinder noch klein waren und ich noch romantische Vorstellungen vom Landleben hatte, bot mir der weibliche Bauer in seinem Garten ein Beet zum Anpflanzen von Karotten an. Freudig habe ich angenommen, um mich einen Monat später darüber zu wundern, dass auf meinem Beet alles mögliche wuchs, nur keine Karotten. Besagte Bäuerin begrüßte mich eines Morgens mit säuerlichem Gesichtsausdruck. Wir bewegten uns auf mein Beet zu, wo ich alsgleich fleißig zu harken begann. Da riss sie mir die Harke aus der Hand und sagte:
„So müssen Sie das machen. Man sieht ja, dass Sie gar keine Ahnung nicht haben.“ (Nee, woher auch!)
Jetzt machte sie das Gleiche wie ich, nur viel schneller. Ich wurde langsam ungeduldig, fand das alles übertrieben und stellte beginnendes Desinteresse am Gärtnern fest. Irgendwie nervte mich der Eifer der guten Frau und ein kleiner Teufel begann mich zu reiten, als ich ganz beiläufig erwähnte:
„Na ja, wenn ich wieder mehr Zeit habe, dann geht das auch leichter. Ich sitze ja viel lieber mit den Kindern im Garten und spiele mit ihnen.“
Sie (ungläubig): „Ja, da darf man denn auch keine Familie haben. Wenn man Zeit braucht, darf man keine Familie nicht haben!“
Ich: „Aber die Kleine braucht mich doch noch!“
Sie (kopfschüttelnd): „Jaja, die jungen Mütter von heute kommen nicht mehr zurecht. Nicht nur Sie! Nicht nur Sie! Weil sie alles haben müssen. Familie und Zeit. Das geht halt mal nicht!“

Mittlerweile haben wir unseren eigenen Garten, den ich nach Lust und Laune verwildern lassen kann. Die Nachbarin hat sich an uns gewöhnt, bringt im Sommer Salat rüber, weil sie viel zu viel davon hat, wobei mir langsam der Verdacht kommt, sie will mich mit den prächtigen Köpfen nur beschämen. Dass die Kinder verwöhnt sind, glaubt sie auch nicht mehr, nachdem sie gesehen hat, dass der Sohn den Rasen mäht, während ich im Liegestuhl liege und mir von meiner Tochter einen Drink servieren lasse.

Ich sage mir, zu viel Bewegung an der frischen Luft tut meinem Teint auch nicht gut, und so schlecht ist das Gemüse aus dem Supermarkt auch wieder nicht!

In ehrlicher Vorfreude auf die Arbeit im Garten,
eure Gudrun

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